DIRECTOR`S NOTE „Richard – Im Walkürenritt durch Wagners Leben” (2012)

Als ich 2008 von Lutz Hesse, dem Kurator der Ausstellungen der Moritzbastei Leipzig, gefragt wurde, ob ich zum 125. Todestag von Richard Wagner eine Ausstellung ausrichten wolle, sagte ich natürlich spontan zu, ohne jedoch wirklich zu wissen, worauf ich mich da einließ – außer einer wagen Idee davon, dass Wagner pompöse Opern mit dem blonden Siegfried geschrieben hatte, die irgendwie vom „Deutsch-sein“ handeln sollten, und dass dieser Wagner in dem Massenmörder Hitler einen großen Fan gefunden hatte und dass da irgendwas mit dem Philosophen Nietzsche war und dass es in „Apokalypse Now“ diese Szene mit den Hubschraubern und dem „Walkürenritt“ gab, hatte ich keine blasse Ahnung von dem Thema.

Ich hatte nur das unbestimmte Gefühl, dass Wagner etwas Suspektes war, etwas Dunkles, Böses. Etwas, was die vermeintlich coolen Typen ablehnten und was die deutsche Oberschicht wie eine Hammelherde jedes Jahr nach Bayreuth trieb, um sich in einem beengten Holzraum vier Stunden lang den Arsch breit zu sitzen und danach halbherzig in die Kamera zu lächeln.

Genau das reizte mich. Denn ich ärgerte mich darüber, dass ich außer ein paar Vorurteilen nichts vorzuweisen hatte: kein Wissen von der Materie, keine Kenntnis von der Musik, nichts über die Bedeutung Wagners für die Oper und die Musik im Allgemeinen …

Und darauf baute ich mit befreundeten Künstlern und Autoren für diese erste Wagner-Ausstellung: gefährliches Halbwissen trifft das selbsternannte Genie Wagner.

Um nicht gänzlich doof dazustehen, hörte ich mir die Opern durch, ich las Biografien, googelte im Netz und wir und ich unterhielten uns mit Kennern der Materie, sogenannten „Wagnerianern“ – also Wagner-Fans, die neben ihrem Fanatismus auch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem durch sie vergötterten Idol in der Lage waren.

Neben vielen anderen Beiträgen für die Ausstellung steuerte ich auch einen Comic bei, der dem Leser – aber vor allem mir selbst – den äußerst komplexen Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ mit seinen vier Opern „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ und den wirklich vielen Worten darin in komprimierter, einfacher Form schilderte. Es ging um Vertragswesen, Reichtümer, Ränke, Macht, Moral und das Ende der bisherigen Weltordnung.

Und irgendwie lies mich von da an das Thema Wagner nicht mehr los: dieses kleine, aufgeblasene Pumpgenie, dass einem bayerischen König mit seinem breiten Leipziger Sächsisch die Kohle für ein eigenes Festspielhaus aus dem Kreuz leiert und nebenbei tatsächlich die Musik erneuert … Die Buhlschaften um das künstlerische und damit finanzielle Erbe, die Nazizeit und Wagners bucklige Verwandtschaft … Die Themen, die Wagner in seinen Stücken behandelt und seine befremdlichen Traktate über Judentum und Musik …

Immer wieder machte ich Karikaturen, Cartoons, Comic-Strips und Illustrationen zu Wagners Kosmos und fand es befremdlich, dass mich da irgendwas gefesselt hatte wie „der Ring, sie alle zu binden“ …

Umso mehr wunderte es mich als Trickfilmer, dass es kaum etwas im Animationsbereich gab, was sich mit Wagner befasste: hier mal eine gestraffte Version des „Rheingold“ in dem britischen Neoklassiker „Operavox“ und da den „Walkürenritt“ mit Elmar Fudd und Bugs Bunny. Ansonsten tote Hose.

Als mein Freund Gary und seine Band „Speedmöik – Erzorchester der Liebe“ für den Eröffnungsabend der bereits erwähnten Ausstellung den „Walkürenritt“ in klassicher Rockformation darboten – Gitarre, Schlagzeug, Bass – war klar, dass ich damit irgendwann noch etwas anfangen wollte, denn durch dieses Arrangement hörte ich, wie modern Wagner immer noch ist.

Und ich fand, dass es schade ist, wie man sich durch seine eignen Vorurteile Sachen verbietet, durch die man durch Türen gehen könnte, neue Räume erkunden, neue Gebiete erschließen …

Ein Ritt durchs Leben Wagners, das genauso vollgestopft, abenteuerlich und pompös war wie die Opern, die der Komponist schrieb, ploppte irgendwann in meinem Kopf auf. Wabernde Szenen, klassische Vollanimation, ein paar 3D-Effekte, viel Farbe, viel Bewegung, als Stätten meine Heimatstadt Leipzig, Venedig, London, Paris … Das alles wie die Salven einer Gatling Gun, wie Mosaiksteinchen, die aus Wagners Kopf fliegen …

Einen Versuch wars Wert, sagte ich mir.

Naja, und jetzt stehe ich hier, Drehbuch und Skizzen unterm Arm, den Stift gespitzt und bereit, durchs Tor zu gehen.

– Schwarwel, Leipzig 2012