PERSONAL STRUGGLES: This is the Soundtrack of my Life 1 – 15

Für unser drittes Buch „#nichtgesellschaftsfähig – Musik, Psyche, Identität und Gesellschaft“ baten wir unsere Autor:innen und Interviewpartner:innen, uns zu ihren jeweiligen Beiträgen gerne noch eine kleine „Soundtrack of my Life“-Liste zum Abdruck mitzuschicken, da wir es immer interessant finden, welche Musik, welche Texte und welche Töne Menschen prägt. Manche schrieben ein paar persönliche Worte oder auch längere Absätze zu den einzelnen Liedern, manche gaben uns nur eine knappe Liste mit dem Namen des Liedes und den Interpreten – was auch völlig cool ist, eben Platz für Interpretationen.

Als es schließlich darum ging, unser Buch rund zu bekommen, suchten wir noch nach einer Klammer, die unsere Inhalte zusammenhalten würde, damit uns so eine vielfältige, in alle Richtung sprühende Publikation nicht um die Ohren fliegt. Als Eingang hatten wir bereits unser Geleitwort und den (sehr geilen) Text von Michael Kraske, aber hinten fehlte noch etwas. Ein Abschluss, der uns selbst mit einbrachte, damit klar war, wir sind nicht nur Zaungäste, Voyeure oder Beobachtende, sondern selbst Teil der Handlung. Also stellte ich meine eigene „Soundtrack of my Life“-Liste zusammen.

Etwa 125 Songs hatte ich in der engeren Auswahl und während des Schreibens – jeweils einen Text pro Tag, bevor ich ins Studio ging – kürzten wir unter großen Schmerzen alles zu 75 Songs zusammen, da ich auch nicht zu viel Raum unseres Buches beanspruchen wollte.

Die Reihenfolge der Musikstücke ist halbwegs chronologisch angeordnet und in keinster Weise wertend. All Killer, no Filler! Nur wenige Beiträge hatte ich „außer der Reihe” geschrieben und dann in die stetig wachsende Textdatei eingefügt, bis ich nach 75 Tagen den Hammer fallen lassen konnte.

Hier also die ursprüngliche Liste in unveränderter Form, mal sehr kurz, mal etwas länger – nur der Großteil der Illustrationen ist neu –, denn dafür war dann doch kein Platz mehr im Buch!

– schw

Sergei Prokofjew – „Peter und der Wolf op. 67“ (01)

Neben „Ein Männlein steht im Walde“ die wichtigste Schallplatte meiner frühen Kindheit, die ich oft bei und mit meiner Tante hörte, die gleich um die Ecke wohnte. Als sie mit meinem Onkel und ihren beiden Söhnen nach Gohlis (lies: hinter den Mond) zog, war plötzlich eine ganze Bezugsfamilie aus meinem Leben verschwunden.

The Shangri-Las – „Leader Of The Pack“ (02)

Bin mir ziemlich sicher, dass ich diesen Song die ersten vielen Male bei meinem fünf Jahre älteren Onkel hörte, als er anfing, sich für Mopeds zu interessieren. Also war er wahrscheinlich 15 und ich war zehn. Ich schlief bei ihm in seinem Zimmer, meine Schwester links nebenan im Zimmer seiner Zwillingsschwester. „My folks were always putting him down (down, down)“. Es muss die zweite Generation von Musikkassettenrekordern gewesen sein, ein Sonett, auf dem die Mixtapes meines Onkels zum Einschlafen liefen, während von rechts aus dem Wohnzimmer „Petroleum-Miezen“ mit Brigitte Bardot und Claudia Cardinale aus dem Westfernsehen durch die zugebaute Durchgangstür böllerte. „They said he came from the wrong side of town“. Auf der Wohnzimmerseite stand Lenins Gesamtausgabe (40 Bände, Dietz Verlag) in einem selbstgebauten Türregal. Unberührt. Ungelesen. „They told me he was bad / But I knew he was sad / That’s why I fell for / The leader of the pack!“ – Vroom-Vrooom!

Suzie Quatro – „Can The Can“ (03)

Als Knirps im Fernsehen gesehen, sofort hin und weg gewesen. Diese Frau – der erste weibliche Rockstar überhaupt – kickt ass und hat mich einige Jahre später auf die Suche nach weiteren Frauen im Rockbiz geschickt, als ich alt genug war, selbst meine Musikkassetten zu bespielen.
Nächster Halt: Joan Jett & The Blackhearts – „Bad Reputation“:
„I don’t give a damn ’bout my reputation
You’re living in the past, it’s a new generation
A girl can do what she wants to do
And that’s what I’m gonna do
And I don’t give a damn
’bout my bad reputation“

Neil Diamond – „Forever In Blue Jeans“ (04)

„Money talks / But it don’t sing and dance / And it don’t walk“. Die überschaubare Plattensammlung meiner Eltern … wahrscheinlich mehr die meines Vaters. Er hörte Neil Diamond oft, der Plattenspieler stand im Wohnzimmer, ich war oft im Wohnzimmer, ergo hörte ich oft Neil Diamond. Mein Vater war so ein Blue-Jeans-Mann, weshalb wir ihm auch seine Blue Jeans für seine letzte Reise mit dem schlichten Holzsarg, in dem er eingeäschert wurde, anzogen haben. Forever in Blue Jeans.

ABBA – „The Day Before You Came“ (05)

Natürlich fand ich „Waterloo“, „SOS“ und „Money, Money, Money“ cool, als ich sie auf den Greatest Hits-Samplern meiner Schulfreundin R. in deren elterlichen Wohnzimmer hörte – das war schließlich der Sound aus Westdeutschland! Und Agneta war eine Göttin! Aber so richtig gepackt hatte mich erst der ABBA-Film, den ich mir im Kinozelt im Rügener Ferienlager der Lehrlinge meines Vaters in Bakenberg zig Mal angeguckt hatte. Als ich irgendwann mit 15 oder so „The Day Before You Came“ hörte, war ich komplett geplättet, weil er so anders war, seltsam, düster, unheimlich und irgendwie endgültig.
„Thank you for the Music“

Melanie – „Ruby Tuesday“ (06)

Obwohl ich sehr gern behaupten würde, es wäre „What Have They Done To My Song Ma“ gewesen, was mich in Melanies Arme getrieben hat, so war es doch das Stones-Cover „Ruby Tuesday“ mit dieser unglaublichen Stimme, die sich mir tief, tief in mein junges, wildes Teenie-Herz eingegraben hat: diese Sehnsucht, dieser Schmerz, dieses Sehnen – Zum Heulen!
„Dying all the time
Lose your dreams
And you might lose your mind
Is life unkind?“

Cat Stevens – „Father And Son“ (07)

Auch so ein Song aus dem elterlich-väterlichen Plattenregal, der wie klebrige Spinnweben in meinem Hirn festhängt. Vater-Sohn-Konflikt? Kenn ich – konnte ich!
Wie über vielen Liedern aus meinem Soundtrack hängt auch hier ein dunkler Schatten, der meinen Hörgenuss inzwischen auf so ziemlich Null reduziert: Cat Stevens bzw. Yusuf Islam, wie er sich seit 1978 nennt, befürwortete 1989 die Fatwa von Ajatollah Chomeini gegen Salman Rushdie, aus religiösen Gründen verweigert er Frauen den Handschlag und Homosexualität ist für ihn Sünde. Neben seinem humanitären Engagement spendete er auch mehrere zehntausend Dollar an die Terror-Organisation Hamas, weshalb ihm 2000 die Einreise nach Israel und 2004 die Einreise in die USA verweigert wurden. Leider kann ich solche Sachen nicht wegdrücken, wenn ich seiner soften, aber bestimmten Stimme zur Gitarre lausche: „Now there’s a way, and I know / That I have to go away / I know, I have to go“. Und ich skippe den Song auf meinem iPod.

Udo Lindenberg – „Wozu sind Kriege da?“ (08)

Im Osten der 1970er/1980er musikalisch sozialisiert worden zu sein, hieß auch, um Udo Lindenberg samt Panik-Orchester nicht herumgekommen zu sein. Ob nun „Wir wollen doch einfach nur zusammen sein (Mädchen aus Ost-Berlin)“ (1973), „Cello“ (1973), „0-Rhesus-Negativ“ (1975), „Verdammt, wir müssen raus aus dem Dreck“ (deutsches Animals-Cover von 1978), „Der Boss von der Gang“ (das deutsche Shangri-Las-Cover von 1978), „Baby, wenn ich down bin“ (1980), „Gegen die Strömung“ (1981), „Sie liebten sich gigantisch“ (1982) oder „Sonderzug nach Pankow“ (1983) undsoweiter undsofort – die meisten Lieder von Udo aus dieser Zeit kann ich heute noch auswendig. Nein, stimmt nicht – ich kann ALLE noch auswendig. Zu oft gehört, ins Blut übergegangen, in allen möglichen Situationen, nüchtern oder besoffen, todtraurig oder total euphorisiert, beim Einschlafen und beim Aufwachen. Lindenberg war damals DER deutsche Rocker: unangepasst, schnoddrig, laut, engagiert, kämpferisch, verletzlich – und eben aus dem Westen, dem vermeintlich gelobten, nie zu erreichenden Land hinter der Mauer, was ihn noch magischer für den 14-jährigen Zoni (also mich) machte.

Aber ausgerechnet das erste Lied auf der OSTdeutschen AMIGA-Lizenz-Platte von 1982 ist für mich sein größtes Vermächtnis. Mit „Wozu sind Kriege da?“ hat er bis heute meine zarte Kinder-/Teenieseele berührt und mit scheinbar ganz einfachen Fragen auf den Tisch gebracht, was mir im Schatten der ganz realen gegenseitigen atomaren Bedrohung durch die USA und die Sowjetunion auf der Seele brannte. Die ganze Ungerechtigkeit der Welt durch die Kinderstimme von Pascal mit voller Wucht direkt in mein Herz geballert. Für immer. Scheiße, ich heul schon wieder.

Marlene Dietrich – „Sag mir, wo die Blumen sind“ (09)

Das Lied war auf so einer unscheinbaren Amiga-Single mit einem schwarz-weißen Foto, auf dem Marlene Dietrich im Pelz (was ich damals schon irgendwie scheiße fand) und ein Kopftuch tragend mit einem ihrer ominösen Blicke in die weite Leere links neben der Kamera schaut. Zu der Zeit hörte ich mir auch Hildegard Knef und Edith Piaf an – muss also so mit 18, 19 gewesen sein. Das Lied hat mich noch härter gehittet als vorher schon Lindenbergs „Wozu sind Kriege da?“, was sowohl am Inhalt selbst als auch an der Art des Vortrages liegt. „Shivers down my spine”. Jedes verdammte Mal. Kann sich noch über Motörheads „1916“ und dem englischen Original „Blowin’ In The Wind“ von Bob Dylan (in der Neil-Young-Version!) auf meinem ganz hohen Regal einordnen. 11 von 10 Tränen.

Edith Piaf – „Non, Je Ne Regrette Rien“ (10)

Entweder ist das Lied schlecht gealtert oder ich befinde mich in einem vollkommen anderen Mindset als vor 35/36 Jahren. Wenn heute Edith Piaf damit aus meinem iPod im Studio poltert, drücke ich instinktiv die Weiter-Taste, weil mir das grad zu lärmig, zu arhythmisch oder zu engagiert daherkommt. Liegt vielleicht auch daran, dass ich meist gerade irgendwelche Sachen abarbeite, bei denen ich relativ konzentriert und „in the zone“ sein will und muss. Edith Piaf ist jedoch sehr fordernd. Entweder du hörst ihr zu oder du machst etwas vermeintlich Wichtiges, kannst aber dabei ihre Musik nicht laufen haben. Beides zusammen geht nicht!

Das ist keine Hintergrundmusik! Dafür muss man bei sich sein! Als Teen hatte ich die Amiga-Platte, die eine Zeitlang hoch und runter lief, während ich mich in Ölmalerei versuchte. (Ja, malen und Piaf zusammen – das geht!) Viel später habe ich mir wieder einiges von ihr digital angeschafft, weil ich schon lange keinen Schallplattenspieler mehr habe, aber nicht auf sie verzichten wollte. Wahrscheinlich bin also eher ich derjenige, der schlecht gealtert ist.

The Beatles – „Across The Universe“ (Naked-Version) (11)

„Pools of sorrow, waves of joy are drifting through my opened mind / Possessing and caressing me“ … uuuuuaaah. Sozialisiert wurde ich natürlich mit „I Wanna Hold Your Hand“, „Help“ und „She Loves You“, aber richtig gecatched hat mich Jahrzehnte später erst die 2003er Version vom „Let It Be – Naked“-Album, auf dem diese eindringliche, extrem intime Version des Liedes zu hören ist, weil man glücklicherweise Phil Spectors schwülstig-kitschiges Orchestergepampe nebst den albernen „Aaaaah“-Chorälen entfernt hat, die auf dem 1970er „Let It Be“-Album jedes letzte bisschen Seele aus Lennons Lied pressen. „Across The Universe“ macht mich sofort ruhig, ich schweife von dem ab, was immer ich gerade tue, und ich ertappe mich dabei, wie ich ganz kurz zulasse zu glauben, das vielleicht doch nicht alles schlecht ist auf dieser Welt. Ich bin Team John, ganz klar.

Dire Straits – „Brothers In Arms“ (12)

Noch so etwas aus Papis Plattensammlung. Seit ihrem ersten Album „Sultans Of Swing“ war mein Vater echter Dire-Straits-Ultra, weshalb ich mit Dire Straits und Mark Knopflers Gitarrenlicks im Ohr aufgewachsen bin – ob ich nun wollte oder nicht. Songs wie „Once Upon A Time In The West“ oder „Romeo And Juliet“ von den Folgealben sind auch mir alles andere als egal, aber mit dem 1985er Album „Brothers In Arms“ fand man mich neben meinem Vater im Wohnzimmer sitzend, um der Platte von vorne bis hinten zu lauschen. Nix machen, nur zuhören, einsinken, ausfühlen. „Money For Nothing“ war natürlich irgendwann durch MTV totgenudelt worden, doch „Brothers In Arms“ ist neben „Sag mir, wo die Blumen sind“, „Wozu sind Kriege da“ und „1916“ zu einer meiner Anti-Kriegs-Lebenshymnen geworden.

„These mist covered mountains
Are a home now for me
But my home is the lowlands
And always will be“

Ohne diese Lieder im Herzen wäre mein animierter Kurzfilm „1813 – Gott mit uns“ in dieser Form nie entstanden. Als wir ihn mal im Rahmen einer Ein-Tages-Ausstellung im Leipziger Norden in einer Dauerschleife aufführten, kamen auch meine Eltern mit ihrem Enkel/meinem Neffen L. vorbei. Mein Vater stand allein in der Mitte des Raumes, starrte auf die Wand, auf der der Film lief, und Tränen liefen seine Wangen hinab. Ich sah ihn, kam zu ihm rüber und stellte mich neben ihn. „Ein Wahnsinn.“ Mehr bekam er nicht raus.

„Now the sun’s gone to hell
And the moon riding high
Let me bid you farewell
Every man has to die“

Als mein Vater gestorben war, saßen und lagen wir bei ihm im Wohnzimmer und hörten uns das ganze „Brothers In Arms“-Album an. Nix machen, nur zuhören, einsinken, ausfühlen.

Pink Floyd – „Wish You Were Here“ (13)

Mit „The Dark Side Of The Moon“ als eine AMIGA-Pressung gab es Pink Floyd auch für uns Zonis zu hören – das machte mir als 13/14-Jährigen Appetit auf mehr von dieser Überwältigungsmusik, weil ich das ganze Album, aber vor allem „Money“, „Time“ und „The Great Gig In The Sky“, ziemlich sehr, sehr mochte (und mag). Dank des großen Bruders meiner damaligen Freundin kam ich später mit 19/20 in den Genuss, weitere Alben von Pink Floyd eingehend studieren (lies: tagelang rauf- und runterhören und dabei die Lyrics lesen) zu können. „Animals“, „Atom Heart Mother“, „The Piper At The Gates Of Dawn“, „Ummagumma“ … aber vor allem die Alben „The Wall“ und „Wish You Were Here“ hatten mich gefangen. Und ganz besonders der Titelsong „Wish You Were Here“. Der macht mich jedes Mal fertig, wenn ich ihn irgendwo höre. „We’re just two lost souls swimming in a fishbowl, year after year“ … Geht es da um Verlust? Entfremdung? Zerbrochene Freundschaft? Liebe? Geht es da um das eigene unschuldige Ich, das man beim Erwachsenwerden irgendwie aus den Augen verliert?

Damals hatte ich keine Ahnung von der ganzen Syd-Barrett-Tragik der Band, die hinter dem Song steckt, aber das ist auch scheißegal, sobald die gezupfte Gitarre von David Gilmour einsetzt und er mich mit brüchiger Stimme fragt: „So … so you think you can tell heaven from hell? Blue skies from pain?“ Aaaaalter!

Aufgrund des seltsamen Verhaltens des inzwischen alten, weißen Mannes Roger Waters hat leider auch dieses Herzenstück für mich viel von seiner Unschuld verloren bzw. mischt sich in die Melancholie, die das Lied immer wieder in mir auslöst – auch die Enttäuschung darüber, wie jemand, der so große Kunst erschaffen hat, politisch-aktivistisch aus meiner Sicht auf derartige abschüssig-antisemitische Wege wie die BDS-Kampagne gegen Israel kommen kann. Aber vielleicht war der auch schon immer so?

Iron Maiden – „Run To The Hills“ (14)

Das erste Mal Maiden. Ich (14) saß Sonntagvormittag wie so oft auf dem kratzigen Wohnzimmerfußboden meiner Eltern, angelehnt an die kratzige braune Couchgarnitur, vor mir Erdnuss-Flips, Cola und verrauschtes Schwarz-Weiß-Westfernsehen. Unsere Doppelhaushälfte stand ein paar Meter außerhalb der großen, verstärkenden Antenne des RFT-Werkes an der Schwimmhalle, so dass ich sehr viel Glück haben musste, wenn ich zu Hause mal ZDF gucken wollte. Heute hatte ich Glück: Ein wilder Typ mit langen Haaren und Ponyfrisur schreit etwas höher, als es mir eigentlich behagt, in ein Mikro, Nietenarmbänder vom Handgelenk bis zur Armbeuge.

„White man came across the sea
He brought us pain and misery“

Dazwischen immer gefakte Stummfilmaufnahmen mit Kämpfen zwischen „Cowboys und Indianern“, wie sie landläufig und unreflektiert genannt wurden.

„He killed our tribes, he killed our creed
He took our game for his own need“

Mich hatten Indigene schon immer fasziniert. Ob in den Lederstrumpf-Erzählungen von James Fenimore Cooper, Gojko Mitić als der DDR-Staatsindianer, Tom Sawyer und Huckleberry Finn von Mark Twain, Sitting Bull, Crazy Horse, Geronimo, Little Big Horn, Wounded Knee 1973 in der Tagesschau … kurz: Iron Maiden hatten mich bereits mit den ersten Takten am Haken:

„Run to the hills, run for your lives“!

Vorher hatte ich mich im härteren Rockbereich gerade mal bis AC/DC vorgearbeitet. Mit Maiden begann ich jedoch, bewusst Metal zu hören: Rob Halford und Judas Priest – „Breaking The Law“, Biff Byford und Saxon – „Wheels Of Steel“, Def Leppard (najaaa), aber auch deutsche Bands wie Destruction, Kreator und Sodom oder die ostdeutschen MCB, für die man bis nach Böhlen in irgendeine Betriebskantine fuhr, um sie live zu sehen. Aber „666 – The Number Of The Beast“-Maiden mit Bruce Dickinson am Gesang blieben für mich die Größten, bis sie schließlich ein, zwei Jahre später durch Lemmy und Motörhead vom Thron gestoßen wurden – auch wenn ich Motörhead eigentlich nicht mit Heavy Metal assoziiere, sondern natürlich mit meiner DNA.

Frankie Goes To Hollywood – „Born To Run“ (15)

„Als 1984 ihr Debütalbum „Welcome To The Pleasuredome“ auch durch den Eisernen Vorhang sickerte, wurden von Frankie Goes To Hollywood natürlich vor allem „Relax“ als totaler Ausflipper und „The Power Of Love“ als schmachtender Höhepunkt der Engtanz-Runde bei jeder Schuldisko zum Besten gegeben. Breites Spektrum, mit dem ich mich wunderbar arrangieren konnte, weil das alles definitiv kein Schlagerpop war. So richtig gecatcht hat mich aber „Born To Run“, den ich völlig weird fand. „Hah!“ Wumm! Wumm! Wumm! Wumm! Wummwumm! Treibend, aggressiv, die ganze Zeit nach vorn – von einer ewigen Sehnsucht getrieben, ruhelos, fordernd, wähnend. Und dann dieser ewig lange Mittelteil mit diesem slappenden Bass:

„I wanna die with you, Wendy, on the streets tonight
In an everlasting kiss – Hah!“

Da ich das Album nur auf einer kopierten 90er-Kassette hatte, kannte ich weder die Linernotes noch die Credits oder Texte, sodass es Jahre dauerte, bis ich mitbekam, dass das Original von Bruce Springsteen stammte, den ich damals voller Inbrunst verachtete. Das Gegenhören des Originals bestätigte mich natürlich in meiner Haltung: viiiel zu langsam, schlaffe Stimmbänder und anstelle des grandiosen Bassteils verhunzte ein Saxophon die Bridge! Ein S-a-x-o-p-h-o-n!

Später habe ich mich dank „Hot Patootie – Bless My Soul“ von Meat Loaf aus „The Rocky Horror Picture Show“ mit Saxophonen im Allgemeinen ausgesöhnt und Bruce Springsteen habe ich gemeinsam mit der gefühlten Hälfte der DDR-Bevölkerung 1988 beim sagenumwobenen Ost-Berliner Konzert in Weißensee von ziemlich weit hinten miterlebt, was dafür sorgte, dass ich ihm gegenüber etwas milder gestimmt war. Trotzdem bleibe ich der Frankie-Version von „Born To Run“ treu. Die trifft mich einfach mitten in mein rastloses Herz. „Whoa, ooh!““