Film „Rote Beete“ aus „1989 – Lieder unserer Heimat“

Film „Melodie & Rhythmus“ aus „1989 – Lieder unserer Heimat“

Film „Himmlischer Frieden“ aus „1989 – Lieder unserer Heimat“

Schwarwels Welt

„STADT DER STERBLICHEN“-INTERVIEW MIT SCHWARWEL

sds19: Magst du unseren Leser*innen kurz von deiner Arbeit, deinem Leben und deiner Lebensphilosophie erzählen.

Mit unserem Studio Glücklicher Montag kann ich all die Dinge umsetzen, die mich reizen und die ich für hilfreich oder notwendig erachte, um die Welt im Rahmen meiner und unserer Möglichkeiten zu einem schöneren Ort zu machen. Konkret sind das neben Buch- und Graphic-Novel-Produktionen zu gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Themen auch Animationsfilme, tagespolitische Karikaturen, Comicstrips für das Leipziger Straßenmagazin „Kippe“, Illustrationen für Schulbücher, Optiken für Mitmach-Wettbewerbe wie die „Visionale Leipzig“ oder für TV-Sendungen wie „MDR Kripo Live“, „MDR Exakt“ oder „MDR Zeitreise“ – und eben auch die Arbeiten im Rahmen der „Stadt der Sterblichen“, bei denen es mir darum geht, Tod, Trauer, Leiden und damit einhergehende Ängste, Depression und psychische Belastungen zu thematisieren und dem ganzen Themenkomplex eine breitere Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Daneben veranstalten wir sachsen- und bundesweit Workshops und Referate an Schulen, in sozialen und in Bildungseinrichtungen, bei denen wir uns mit den Teilnehmenden mittels Comic, Manga und Trickfilm mit Themen wie „Demokratie und Diktatur“, „Hatespeech und Mobbing“ oder der Verbesserung der eigenen Medienkompetenz auseinandersetzen.
Unser Studio und unseren Alltag führen wir dabei so vegan, wie es irgend geht, da die Erhaltung und Verbesserung unserer eigenen Lebensqualität mMn nicht zu Lasten anderer Lebewesen oder der Umwelt gehen sollte. Das gestaltet sich zwar oft sehr schwierig, weil die menschliche Gesellschaft neben der Ausbeutung anderer, vermeintlich schwächerer Menschen vor allem auch die Ausbeutung der Tier- und Umwelt seit Jahrtausenden erfolgreich betreibt, aber für mich lohnt es sich wirklich jeden Tag, ein Problem gelöst zu haben, ohne dabei auf die einfach und überall verfügbaren Mittel zurückgreifen zu müssen, die nur durch das Leid anderer in die Welt gekommen sind.
Der Verzicht auf Mobiltelefone oder das Internet ist dabei momentan genauso wenig möglich wie der Verzicht auf ein Auto, das uns und unser ganzes Material zum Workshop nach Zittau und wieder zurückbringt, aber allein dass ich mir dessen bewusst bin, sorgt dafür, dass ich diese Ressourcen so sparsam und sinnvoll wie möglich nutze.
Und da sind wir dann auch schon bei der Frage nach der Lebensphilosophie. Ich könnte es mit dem einfachsten Satz der Welt beantworten: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Oder positiv formuliert: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“
So ein einfacher Satz ist im ganz normalen Alltag teilweise schon echt schwer umzusetzen …

sds19: In welcher Art gestaltest du die „Stadt der Sterblichen” im Sep 2019 in Leipzig mit?

Als Frank Pasic von der FUNUS Stiftung die Leipziger #sds19 auf den Weg brachte, lud er neben Pia Elfert sowie Hedwig und Udo Portner vom Bestattungshaus Ananke auch Sandra und mich von Glücklicher Montag ein, als ortsansässige „Leuchttürme“ die Leipziger Gesamtveranstaltung zu begleiten. Das meint, inhaltliche, personelle und öffentlichkeitswirksame Vorschläge und Programmpunkte einbringen, sagen, was man doof und was man cool für #sds19 findet und ganz allgemein die „Stadt der Sterblichen“ zu einem Ereignis zu machen, das von den Leipzigern im September wahr- und angenommen wird.
Daneben kümmere ich mich inzwischen auch um die grafische Umsetzung für die Außenkommunikation vom Poster über Flyer und Programmhefte bis zu den Optiken für die sozialen Medien und das Internet, damit das alles einheitlich rüberkommt und „Die Stadt der Sterblichen 2019“ ein klares Gesicht und Profil hat.

sds19: Wie und in welcher Weise beschäftigst du dich mit dem Tod?

Seit Kindesbeinen lebe ich mit einer endogenen Depression, weshalb ich mich auch irgendwie schon immer für den Tod, die Dunkelheit und die Abgründe des Lebens interessiert habe. In meinen Anfangszwanzigern entwickelte sich dann eine handfeste Angstneurose, die ich wie vorher schon meine Depression mit viel Alkohol und Tabletten lange verdrängt habe, bis ich mich aufgrund des unhaltbar gewordenen Leidensdrucks und meiner manchmal latenten, oft ausgelebten Aggressivität gegenüber mir selbst und meiner Mitmenschen irgendwann doch mal endlich in Behandlung begeben habe. Das war ein wichtiger Schritt. Lebensrettend.
Das heißt, ich kann jetzt zwar viele Krisen meistern oder wenigstens durchstehen, aber die Depression und die damit einhergehenden finsteren Gedanken und Unwelten sind natürlich weiterhin da.
Mir geht es jedoch besser, wenn ich mit diesen Zuständen offen umgehe und mich aktiv mit Terror, Tod und Teufel auseinandersetze.
Meine Arbeit ist natürlich auch bestens dazu geeignet, solche Themen in die Welt zu bringen wie jetzt durch meine Graphic Novel „Gevatter“ oder vorher unseren Animationsfilm „Leipzig von oben – Leben und Sterben in der Stadt“, der sich mit dem Tod meines Vaters – aber eben auch und vor allem mit dem Leben davor – beschäftigt.
Mit der „Stadt der Sterblichen“ bspw. kamen wir auch schon 2017 in Kontakt, als diese Kulturwochen in Halle/Saale stattfanden und wir im Rahmen dessen einen Workshop zur Endlichkeit mit Teilnehmer*innen aus Pflege- und Palliativberufen veranstaltet haben.
Die Beschäftigung mit dem Tod und der eigenen Endlichkeit wirft mich direkt auf das Leben zurück und lässt mich die Zeit besser nutzen, die mir auf dieser Welt bleibt.

sds19: Was bedeutet für dich Endlichkeitskultur?

Das ist, soweit ich weiß, ein Kunstbegriff, den die FUNUS Stiftung zur Taufe ihrer Zeitschrift „Drunter & Drüber“ in den öffentlichen Raum geworfen hat. Ich finde ihn sehr passend, da er die Frage aufwirft, wie wir als Einzelpersonen und als Gesamtgesellschaft eigentlich mit unserer Endlichkeit umgehen – angefangen bei ganz praktischen Fragen wie „Feuer- oder Erdbestattung?“ bis hin zu geopolitischen Fragen wie der Ausbeutung der endlichen Ressourcen ohne Rücksicht auf nachkommende Generationen. Da steckt „Nachhaltigkeit“ mit drin und wir sollten uns fragen, was wir hinterlassen, wenn wir nach einer ziemlich kurzen Daseinsspanne die Weltbühne wieder verlassen: Nach uns die Sintflut oder pflanze ich einen Baum, in dessen Schatten erst meine Enkelkinder sitzen werden?

sds19: Warum ist es deines Erachtens notwendig, dass sich jeder mit dem Leben, Sterben und Tod auseinandersetzt?

Weil das alles ist, was wir haben. Die Anhäufung von Gütern, Ämtern und Auszeichnungen wird uns am Ende nichts nutzen, wenn wir daraus nicht Kapital für eine bessere Welt geschlagen haben. Der Spruch „Das letzte Hemd hat keine Taschen“ ist dabei ein guter Ratgeber, weil er in sehr schön verkürzter Form zusammenfasst, worum es geht: Materielle Güter sind kein echter Reichtum, der erstrebenswert ist. Echten Reichtum schöpft man nur aus Erfahrungen, aus Erleben, aus dem Leben selbst.
Und dieses Leben ist endlich und – als Fünfzigjähriger kann ich das jetzt zur Gänze bestätigen – verdammt kurz.
Hast du eben noch selbst im Pool geplanscht, schaust du jetzt deinen Enkelkindern dabei zu. Das, was dazwischen mit mir passiert ist, macht den Wert meines Lebens aus. Das ist seine Summe. Und sowas sollte man stets vermitteln, weil es offensichtlich noch nicht alle in die Köpfe gekriegt haben, wenn man sich so umschaut auf der Welt.
Bei Castaneda nennt Don Juan diese Menschen „Unsterbliche“ und meint damit Leute, denen ihre Sterblichkeit nicht bewusst ist und die deshalb jede Menge Torheiten wieder und wieder begehen, ohne dass ein Lernprozess in Gang gebracht wird, und die somit ihr einziges Leben verschwenden, bis es plötzlich einfach zu Ende ist. Ungenutzt verstrichen. Bedeutungslos. Vor allem für sie selbst.

sds19: Was kann man deiner Meinung nach aktiv tun, damit diese Themen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit treten?

Darüber reden, sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt. Mein Vater hat das wortwörtlich bis auf sein Totenbett aufgeschoben und hat sich so sein Sterben zu einem qualvollen, angstbesetzten Erleben gemacht, dass ewig gedauert hat. Es war entsetzlich und wir konnten tagelang nichts tun, außer ihm dabei zusehen zu müssen.
Sein Vater – mein Großvater – hatte es ihm eigentlich anders vorgelebt. Der war in Würde gegangen, vollkommen bewusst und sich seiner Endlichkeit klar. In den Tagen vorher hatte er alle in seinem Lebenskreis zu Einzelgesprächen zu sich gebeten und er hat jedem gesagt oder gezeigt, welche Bedeutung er oder sie für ihn und in seinem Leben hatte, dass es jetzt aber Zeit für ihn sei zu gehen. Meinen Vater und seine Geschwister hat er gebeten, ihn loszulassen, um ihm den Übergang nicht zu erschweren. Davor habe ich bis heute mega Respekt und ich hoffe, dass ich auch zu solcher Größe fähig sein werde, wenn sich mir die Gelegenheit dazu ergibt.
In unseren Workshops und bei anderen öffentlichen Gelegenheiten nehme ich Themen wie unsere Sterblichkeit, meine Depression oder Angstneurosen bewusst mit rein, um daran zu illustrieren, wie wertvoll jede Minute Leben ist und das wir nichts verschwenden dürfen, aus dem wir Energie und Freude empfangen können.
Mir gibt das Wissen um mein Ende Kraft für meine Arbeit, mein Umfeld und mein Leben, weil ich dadurch bewusster lebe, intensiver. Der Blick für die kleinen Dinge wird enorm geschärft, auch wenn ich logischerweise nicht allem entsprechen kann. Aber auch das gehört dazu.
Im Allgemeinen ist es erstrebenswert, wenn der Tod wieder stärker aus dem akademisch-medizinischen, sachlich-kühlen Beschreibungskanon unserer Zeit herausgebrochen werden würde, um ihn fest im Alltags-Erleben zu verankern. Das hätte enormen Einfluss auf unser familiäres und gesellschaftliches Miteinander bis hin zu Konsumverhalten, Tierethik und die Energie- und Klimapolitik.

sds19: Hast du Empfehlungen, wie man den einzelnen Individuen in unserer Gesellschaft den Umgang mit Trauer, Verlust, Leid, Angst und Schmerz erleichtern kann, um damit einen besseren Umgang pflegen zu können?

Das ist wie mit der m. E. fürchterlichen Schulbildung unserer Tage. Wenn nicht grundsätzlich ein Umdenken auch und vor allem in der Politik – also auf der Lenkungsebene – stattfindet, werden alle anderen Bestrebungen nur kleine Graswurzelbewegungen sein, deren Erfolge nur sehr, sehr langsam greifen können, wenn sie nicht vorher schon ausgerissen werden. Eine klare Enttabuisierung von Suizid und was dazu führen kann, von psychischen und physischen Erkrankungen von Burnout bis Borderline und von Krebs bis AIDS, von Trauerarbeit, Schmerz und Leid im Allgemeinen ist ein machbarer Weg, unserer Leistungsgesellschaft und den damit verbundenen Denk- und Sprachschranken menschliche Reaktionen und menschliches Handeln entgegenzusetzen.
Pflege-, Sozial- und Palliativberufe genießen momentan nicht gerade den besten Ruf unter Jugendlichen.
In konfuzianischen China hieß es mal, der ist der beste Arzt, dessen Patienten nicht krank sind. Da müssen wir hin. Weg vom leistungsorientierten, inhumanen Turbokapitalismus und seinen krankmachenden Auswirkungen auf die menschliche Seele und hin zu einer Gesellschaft, die auf ein Miteinander aufgebaut ist, auf Teilhabe aller und Empathie.

sds19: Wie können Kunst, Kultur und Bildung ihren Beitrag leisten?

M. E. bilden Kunst, Kultur und Bildung die Basis für alles andere, was das Leben vor dem Tode lebenswert machen kann … falls Bildung eine echte „Herzensbildung“ meint … ansonsten handelt es sich bei Bildung nur um Auswändiglernen und tote, kalte Information, die weitergegeben wird. Ohne diese drei zivilisatorischen Errungenschaften fallen wir zurück in eine Zustand, in dem es nur ums nackte Überleben geht. Jeder für sich und Alle gegen Alle. Ausschnitte eines solchen Zustandes kann man überall auf der Welt erleben: unser Umgang mit Obdachlosen, unser Umgang mit Geflüchteten, unser Umgang mit Alten und Kranken, mit Marginalisierten, mit vermeintlich Schwächeren, mit Frauen, mit Kindern, mit Vertreter*innen anderer Religionen …
Die Naziherrschaft des Dritten Reiches hat sehr gut vorgeführt, dass es nicht reicht, Kunstschätze zu horten und grandiose Betonbauten zu errichten. Wenn die Ideologie dahinter menschenverachtend ist – und also die Herzensbildung abhandengekommen ist oder bewusst abgeschafft wurde –, nützen Kunst und Kultur einen Scheiß, denn dann dienen sie nur dazu, die Entmenschlichung der herrschenden Individuen zu übertünchen. Diese Bestrebungen der Schönfärberei hat jede Diktatur: architektonischer Wahnsinn und strahlende Soldaten- und Kindergesichter in homogenen Farben. Aber das ist nur Fassade, die im alten Rom genauso abgebröckelt ist wie später bei Stalin, in Maos China, bei Hitler oder jetzt in den Autokratien, die sich notdürftig mit dem Mäntelchen der Demokratie bedecken.
Sobald ein Staatswesen, ein Präsident oder eine Führungsebene Kunst, Kultur oder Bildung einzuschränken suchen, verbieten oder steuern wollen, sollte man noch am selben Tag auf die Barrikaden gehen und schon mal ein paar Pflastersteine zurechtlegen für den Fall, dass der eigene Anspruch der Gewaltlosigkeit nicht ausreicht, um gegen Gleichmache, Kleinmache und Diktat vorzugehen.
Wohlgemerkt: Die rote Linie ist auch dabei die der Intoleranz von Staaten, Gruppen, Parteien, Individuen oder einem selbst. Der gegenüber darf man sich nicht tolerant zeigen.

sds19: Magst du uns Bücher und Filme zum Thema Leben, Sterben und Tod empfehlen?

Natürlich gibt es auch da unwahrscheinlich viel zu entdecken, aber hier ein paar Bücher …
Brad Warner – „Hardcore Zen: Punkrock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles“
Carlos Castaneda – „Reise nach Ixtlan: Die Lehre des Don Juan“
Art Spiegelman – „Maus – Die Geschichte eines Überlebenden“
Art Spiegelman – „Maus II – Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier begann mein Unglück“
Dieter Noll – „Die Abenteuer des Werner Holt“
Andrew Solomon – „Saturns Schatten. Die dunklen Welten der Depression.“
Paul Celan – „Die Todesfuge“

… und hier ein paar Filme, wahllos aus einer unendlich langen Reihe herausgegriffen …
„Projekt Brainstorm“ (1983, Regie: Douglas Trumbull)
„Mein Nachbar Totoro“ (1988, Regie: Hayao Miyazaki)
„Chihiros Reise ins Zauberland“ (2001, Regie: Hayao Miyazaki, Kirk Wise)
„Harold und Maude“ (1971, Regie: Hal Ashby)
„Dallas Buyers Club“ (2013, Regie: Jean-Marc Vallée)
„Bambi“ (1942; Regie: David Hand, James Algar, Samuel Armstrong, Bill Roberts, Paul Satterfield, Graham Heid, Norman Wright)
„Angel Heart“ (1987, Regie: Alan Parker)
„Der Höllentrip“ (1980, Regie: Ken Russell)

sds19: Was sind deine Lieblingssongs und Songtexte zum Thema?

Meine Lieblingslieder sind meist eine Mischung aus Beschäftigung mit dem unvermeidlichen Ende und mit dem Leben davor, dass es zu meistern gilt …
Dead Moon – „It’s O.K.“ (auf „Crack In The System“)
Type O Negative – „Everything Dies“ (auf „World Coming Down“)
Ton Steine Scherben – „Halt dich an deiner Liebe fest“ (auf „Wenn die Nacht am tiefsten …“)
Ramones – „Poison Heart“ (auf „Mondo Bizarro“)
Slime – „Etikette tötet“ (auf „Alle Gegen Alle“)
Fugazi – „Give Me the Cure“ (auf „13 Songs“)
Bob Mould – „Voices in My Head“ (auf „Patch The Sky“)
Killing Joke – „You’ll Never Get to Me“ (auf „Killing Joke 2003“)
Hole – „Awful“ (auf „Celebrity Skin“)
Motörhead – „1916“ (auf „1916“)
Joey Ramone – „I Got Knocked Down (But I´ll Get Up)“ (auf „Don’t Worry About Me“)
Social Distortion – „When the Angels Sing“ (auf „White Light, White Heat, White Trash“)
Type O Negative – „Everyone I Love Is Dead“ („World Coming Down“)
Tocotronic – „Sag alles ab“ (auf „Kapitulation“)
Ludwig van Beethoven – „9. Sinfonie“
Wolfgang Amadeus Mozart – „Requiem“

sds19: Was ist unser Erbe, was ist unsere Zukunft? Was wünschst du dir für ein besseres menschliches Miteinander?

Wie oben schon erwähnt, setze ich auf das Prinzip „Wie du mir, so ich dir“ – allerdings im positiven Sinne. Menschen sind wir immer nur in Gesellschaft mindestens einer anderen Person – allein sind wir nur ein Patchworkmantel aus Information, Erziehung, Bildung, Wissen, Vorstellung und mächtigen Urinstinkten … das ist unser Erbe, aus dem für jeden und jede seine bzw. ihre persönliche Aufgabe erwächst, das Beste daraus zu machen.
Was nun dieses „Beste“ sein soll, entscheidet jede/r aus dem, was allen mit auf den Weg gegeben wurde, und dem, was uns auf dem weiteren Weg passiert, wen wir dort antreffen und welche Schlüsse für unser Handeln wir daraus ziehen.
Das Beste für mich muss also nicht automatisch das Beste für dich sein – wie wir leicht am Turbokapitalismus und an Autokratien und Diktaturen sehen und erleben können.
Inzwischen ist die menschliche Zivilisation im Gesamten so weit, dass sie Individualität und Selbstbestimmung als Wesensmerkmale erkannt hat, auch wenn es mit dem Anerkennen und dem danach Handeln noch ziemlich hapert. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass es immer Menschen geben wird, die Achtsamkeit als hohes Gut ansehen und die es schaffen, sich über den Egozentrismus zu erheben, den wir alle in den ersten zwei, drei Lebensjahren unseres kurzen Daseins als Überlebensstratgie anwenden und den wir spätestens als Teens überwinden sollten, um zu einem besseren Miteinander beizutragen. Das geht nur mit Vorbildwirkung, denn der Mensch lernt durch Beobachten, sich selbst in Beziehung zur Welt zu setzen.
„Wer liebt, muss lassen können.“ ist da so ein Motto, das ich ziemlich nützlich finde, um besser durch den Tag zu kommen.

sds19: Was bedeuten für dich Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung?

Freiheit, Schutz der Menschenwürde und Gleichberechtigung bzw. Gleichstellung halte ich für die Basis einer Zivilisation, die diese Bezeichnung auch zu Recht tragen will. Wenn die Durchsetzung meiner Freiheit nur mit der Beschneidung der Freiheit anderer einhergehen kann, ist es keine Freiheit, sondern ganz gewöhnlicher Egoismus.
Die Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ der französischen Revolution von 1789 hatte mich in ihren Bann geschlagen, als ich das erste Mal in der Schule von ihr erfuhr – das ist eine Gesellschaftsutopie, für die es sich für mich zu kämpfen lohnt. Und zwar im Wortsinn und nicht in ihrer verbogenen Form des „Manche sind gleicher“-Slogans aus der „Farm der Tiere“, wie sie in vielen Demokratien durchexerziert wird, die mMn ihren Namen nicht verdienen.
Dass die französischen Revolutionäre ernsthaft glaubten, sie kämen ihrer Losung durch den massenhaften Gebrauch der Guillotine auch nur einen Kopfbreit näher, ist da eher ein böser Treppenwitz der Geschichte. Doch das macht für mich die Losung als Lebensmotto nicht wertlos, den die Utopie kann ja nichts für diejenigen, die sie umzusetzen suchen und ein Ideal bleibt deshalb immer ein Ideal, weil man es nie erreichen kann, jedoch kann man sehr wohl auf dem Weg dahin die Umstände für alle verbessern.

sds19: Was sind deine Lieblingszitate zum Thema Tod?

Da gibt es unendlich viele, da kann ich jetzt nur ein paar zum Besten geben …
„Seines Todes ist man gewiss: warum wollte man nicht heiter sein?“
(Friedrich Nietzsche)
„Der Tod ist nicht der Feind des Lebens überhaupt, sondern das Mittel, durch welches die Bedeutung des Lebens offenbar gemacht wird.“
(Friedrich Nietzsche)
„Der Tod wird erst furchtbar durch den Hintergrund, den man ihm gibt. Wie die Liebe eine beseligende Traumwelt, so erzeugt die Furcht eine höllische Traumwelt. Der irregeleitete Verstand erzeugt die Schrecken. Man soll den Tod nicht überwinden, aber wohl bestehen lernen.“
(Friedrich Nietzsche)
„Mit dem Tod habe ich nichts zu schaffen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht.“
(Epikur von Samos)
„Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben.“
(Marcus Aurelius)
„Liebe ist Qual, Lieblosigkeit ist Tod.“
(Marie von Ebner-Eschenbach)
„Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt – und nicht, was wir ersehnt haben.“
(Arthus Schnitzler)
„Wir müssen immer lernen, zuletzt auch noch sterben lernen.“
(Marie von Ebner-Eschenbach)

sds19: Zum Schluss möchten wir dich noch bitten, folgende 3 Sätze mit deinen eigenen Worten zu ergänzen:

1. Eines Tages werde ich sterben … und es gibt nichts in der Welt, das ich mitnehmen kann.
2. Unsterblichkeit wäre … auf Dauer wahrscheinlich ziemlich langweilig und würde damit den Wert des Lebens vermindern.
3. Das Leben ist … verdammt kurz, weshalb ich es nicht verschwenden will.

Alle #sds19-Interviews auf: www.stadt-der-sterblichen.de/interviews

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